Es war im Jahr 1999 bei einer Veranstaltung der Freilichtbühne Nettelstedt, da kam Fritz Spilker auf Dieter Lange zu, und fragte ihn, ob er sein Nachfolger als Schiedsmann werden wolle. Lange war 34 Jahre alt und übernahm den Job. Heute, 21 Jahre später, ist er immer noch Schiedsmann. Lange ist zuständig für den Bereich Lübbecke Ost, wo er die Ortschaften Gehlenbeck, Nettelstedt und Eilhausen betreut. Seine Aufgabe ist es, Streit zu schlichten.
Die Strukturen
Dieter Lange ist gebürtiger Nettelstedter und arbeitet bei der Gemeindeverwaltung Stemwede in Levern. Er kennt das Dorfleben durch und durch. „Auf dem Dorf werden die Dinge anders geregelt“, erklärt er. „Es ist dort ruhiger und die Strukturen sind enger, als in der Stadt. Viele Sachen werden auf dem Dorfplatz oder auf der Straße geregelt.“ Aber das Dorfleben habe sich auch verändert, was man an der Art der Streitigkeiten sehen könne.
Früher, als er angefangen habe, da sei der typische Streit eine Schützenfest-Rempelei gewesen, wo an der Theke eine Situation eskaliert, der eine den anderen anrempelt und man dann einen Vermittler sucht, der dafür sorgt, dass die beiden Parteien sich wieder vertragen. Heute gehe es fast immer um Nachbarschaftsstreitigkeiten, strafrechtliche Fälle wie Körperverletzung kämen dagegen selten vor. „Heute geht es um den sprichwörtlichen Ast, der über dem Zaun hängt“, sagt Dieter Lange.
Nachbarschaftsstreitigkeiten
Diese Nachbarschaftsstreitigkeiten seien eigentlich Bagatellen, wie er weiter erläutert. Den Begriff sollte man dabei aber seiner Meinung nach nicht, wie im deutschen Sprachgebrauch üblich, negativ bewerten oder als Nichtigkeit abtun. Es handele sich dabei um kleinere Streitigkeiten, die man meistens durch ein paar Gespräche klären könne, ohne dass es zu einem Verfahren käme. Deshalb würden sie auch „Tür- und Angelfälle“ genannt. Die Aufgabe des Schiedsmannes sei es, vermittelnd tätig zu werden.
Er würde kein Urteil sprechen, wie viele vermuten. Er versucht, einen gemeinsamen Konsens zu erzielen. Der Schiedsmann stehe quasi zwischen dem Streit der Bürger und dem Verfahren vor Gericht.
Ein Anruf
„Viele denken, sie müssen bei einem Streit gleich vor Gericht gehen und sind überrascht, dass zunächst der Besuch bei einem Schiedsmann ansteht“, erklärt er. Der Schiedsmann versucht, den Streit zu schlichten, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt.
Häufig sei der erste Schritt ein Anruf beim Ordnungsamt. Dort werde auf den Schiedsmann verwiesen. Das klassische Schiedsverfahren laufe so ab, dass zu einem offiziellen Gesprächstermin mit Ladung und Ladungsfrist eingeladen wird. Zu diesem hochoffiziellen und förmlichen Verfahren komme es aber meistens gar nicht, weil man mit etwas Geschick die Fälle schon vorher lösen könne.
„Wenn ich einen Anruf bekomme, versuche ich als erstes, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen“, erklärt er. „Man telefoniert, spricht miteinander, fährt mit dem Rad vorbei und redet.“ Dabei sei der oben genannte Ast, der über dem Zaun hängt, oft gar nicht der eigentliche Grund für den Streit. „Das, weswegen die Leute zu mir kommen, ist meist nur der Gipfel des Eisbergs. Der Auslöser liegt in der Regel ganz woanders, liegt weiter zurück.“ Das miteinander Reden sei das ‚A und O’ und das komme heute oft viel zu kurz.
Keine Einigung
„Auf dem Dorf ticken die Leute anders“, betont er noch einmal. Die engen Strukturen hätten auch ihr Gutes. „Auf dem Dorf wird man aufgefangen“, sagt Dieter Lange. Aber, fügt er an, man könne sich die anderen Dorfbewohner und insbesondere die Nachbarschaft eben nicht aussuchen, wie in der Stadt. Deshalb müsse man lernen, miteinander auszukommen. Im Dorf gelte die Devise „Leben und Leben lassen“. „Ein bisschen mehr Gemeinschaftssinn täte vielen gut.“
Auf die Frage, was bislang sein aufwendigster Fall gewesen sei, sagt Dieter Lange, dass er schon mal eine Nachbarschaftsstreitigkeit gehabt habe, die sich über vier oder fünf Verfahren hingezogen hätte. Eine Einigung habe es nicht gegeben.
Es komme heute auch häufiger vor, dass viele seiner Klienten gleich klagen wollen. Wenn sie dann feststellten, dass sie erstmal ein Schiedsgericht benötigten, sei dies oft nicht in ihrem Sinne. „Da kann man als Schiedsmann wenig ausrichten“, erklärt er. Deshalb komme es auch oft weniger auf Rechtsgrundlagen an als auf das Gespür für Menschen.
Gute Voraussetzung
„Eine gute Voraussetzung für diesen Job ist ein gutes Gespür für Menschen“, erklärt er. Zwar werden für das Ehrenamt auch Lehrgänge und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten, aber was letztendlich zähle, sei eine gute Menschenkenntnis – und eine ruhige und gelassene Herangehensweise. „Ich versuche immer, mich auf mein Gegenüber einzustellen.“ Dabei sei es natürlich immer wichtig, die Neutralität zu wahren und sich alle Seiten anzuhören.
Dieter Lange wurde jetzt vom Rat der Stadt Lübbecke als Schiedsmann wiedergewählt und wird sein Amt bis ins Jahr 2025 ausführen. „Das ist schaffbar“, erklärt er. Er könne das Ehrenamt gut mit Familie und Beruf verbinden. „Ich mache das gerne“, sagt er.
July 30, 2020 at 11:00PM
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